DIGITALE TRANSFORMATION IN ORGANISATIONEN

In der politischen Tagesrhetorik wird heute überwiegend der Begriff Digitalisierung verwendet. Tatsächlich wird aber digitalisiert, seit Computer erfunden wurden.
Der Öffentlichkeit wird suggeriert, dass die flächendeckende Verfügbarkeit von Breitband bzw. 5G-Netzen die Lösung aller digitalen Problemstellungen wäre. In der Praxis ist das aber leider so nicht der Fall, denn Breitband und 5G sind nur - wenn auch fortgeschrittene - Übertragungstechnologien.

Digitalisierung versus digitale Transformation

Die digitale Transformation einer Aufgabe ist viel umfassender, als reine Digitalisierung. Es wird die gesamte Prozesskette vom Kunden (oder Antragsteller) bis zum eigenen Unternehmen (oder den zuständigen Behörden) und wieder zurück zum Kunden (Antragsteller) betrachtet.
Die Problemstellungen, die dabei auftreten, sind ungleich höher als bei der reinen Digitalisierung, wo es hauptsächlich um die Produktion oder Erfassung von elektronischen Daten bzw. singuläre Softwarelösungen in den Organisationen geht.

Der "Eisberg der digitalen Transformation"

Die Darstellung zeigt einen Überblick jener Themenfelder und Problemstellungen, die bei ernst gemeinten Transformationsprojekten jedenfalls zu erwarten sind.
An der Oberfläche liegen gut sichtbar die bekannten, häufig strapazierten (Marketing-)Begriffe der Digitalisierung. Die wirklichen Herausforderungen und der tatsächliche Aufwand der Umsetzung lauern jedoch wenig sichtbar unter der Oberfläche – der Befund gilt ohne Unterschied sowohl für die Organisationen im Public Sector, als auch für Unternehmen jeder Größe!

Der neue Rechtsrahmen

Mit 1. Jänner 2020 trat in Österreich nach knapp dreijähriger Übergangsfrist das novellierte eGov-Gesetz in Kraft. Die beiden neuen Paragraphen 1a und 1b bringen sowohl auf Unternehmens-, als auch auf Behördenseite große Herausforderungen durch technische und organisatorische Veränderungen in allen Arbeitsprozessen.

  • Der §1a E-GovG regelt das Recht auf elektronischen Verkehr und ermöglich Unternehmen in allen Materien des Bundesrechts, Anträge ausschließlich elektronisch zu stellen. Damit entfällt die Verpflichtung zur Vorlage von Papierausfertigungen an Behörden.
  • Der §1b E-GovG enthält Bestimmungen zur Teilnahme an der elektronischen Zustellung. Sie verpflichten die österreichischen Unternehmen zur elektronischen Übernahme von behördlichen Dokumenten über den Postkorb im Unternehmensserviceportal (USP).

Der digitale Wandel in der Gesellschaft

Der rasche digitale Wandel in unserem Leben erzeugt nun zunehmend großen Druck auf alle Organisationen der öffentlichen Verwaltung. Umfassend betroffen sind aber auch die BackOffices in den Unternehmen, denn sie müssen ihre Leistungen und Prozesse zeit- und ortsunabhängig für Kunden, Lieferanten oder die eigenen Mitarbeiter verfügbar machen.
Leider ist diese Herausforderung aber nicht mit der Programmierung von einzelnen Apps oder der Erstellung von zusätzlichen Webseiten zu bewältigen. Der Public Sector und in gleichem Maß auch die BackOffices der Unternehmen müssen vielmehr und ausnahmslos alle (gemeinsamen) Prozesse und Leistungen neu denken, um eine erfolgreiche und integrierte digitale Transformation zu ermöglichen. Ergänzend dazu ist es notwendig, technische und organisatorische Redesign-Programme zu absolvieren, denn nur „digitale Fitness“ auf beiden Seiten ermöglicht die elektronische (papierbefreite) Integration von Prozessen in Genehmigungsverfahren zwischen einer Behörde und den Unternehmen.

Einige weitere Aspekte...

  • Digitale Kommunikation: die elektronische Übermittlung von Informationen (überwiegend per e-Mail) hat das vorhandene Potential der Beschleunigung von Behördenverfahren nahezu vollständig erschöpft, indem Transportzeiten extrem minimiert wurden. Die zentrale Frage ist nun, wo gibt es noch Möglichkeiten der Optimierung? Neben rechtlichen Änderungen scheint die einzig realistische Antwort die „Integration von Prozessen“ zwischen Verwaltungen und Unternehmen zu sein (z.B. analog der Integration eines Zulieferers).
  • Digitale Identität: sichere elektronische Kommunikation mit Kunden und Business-Partnern erfordert digitale Identitäten von Mitarbeitern (in Verbindung mit dem Unternehmen), um Betrug und Mißbrauch zu verhindern. Der überwiegende Teil der österreichischen Firmen hat noch keine Strategie für digitale IDs und deren Verwendung im täglichen Geschäftsleben.
  • Post-Prozesse: es macht einen großen Unterschied, ob im Unternehmen die tägliche Post klassisch analog verarbeitet und verteilt wird, oder ob der gesamte Posteingangs- und -ausgangsverkehr ausschliesslich elektronisch erfolgt. Viele Firmen sind hier nur unzureichend vorbereitet – und die rein digitale Postabwicklung auf allen Ebenen ist wesentlich komplexer im Handling und in der Umsetzung, als die bisher gewohnten analogen Formen.

Was ist zu tun?

Um die umfangreichen Herausforderungen der digitalen Transformation von elektronischen Genehmigungsverfahren bewältigen zu können, sind zwei strategische Initiativen jedenfalls erforderlich:

  • proaktive Aufklärungs- und Lobby-Arbeit auf allen politischen und unternehmerischen Ebenen
  • Wirtschaft UND Public Sector müssen gleichzeitig und ohne Berührungsängste den Eisberg der digitalen Transformation gemeinsam bearbeiten

Nur mit Hilfe einer klaren Strategie und konkreten Maßnahmen in beiden Welten können Verfahrensgeschwindigkeit und -qualität synchron zukunftsfit gemacht und dadurch die Stärkung bzw. Absicherung der Wirtschaftsstandorte erreicht werden.